Dieses Jahr ist eine Achterbahnfahrt, wie ich sie noch nie erlebt habe und dabei war mein Papa bereits vor einigen Jahren schwer erkrankt, gefolgt von weiteren Familienmitgliedern und jedes Mal dachte ich, schlimmer kann es nicht werden. Und dann kam 2018.
Ein bisschen Bauchschmerzen hatte sie. Mehr nicht. Hausarzt, Facharzt und dann ins Krankenhaus. Es ging alles ganz schnell. Verlegung ins Fachkrankenhaus. Die Diagnose kam schnell. Ich war gerade von meinem Pragtrip zurück und habe kurzerhand mein Wochenende verlängert und bin hingefahren. Die Diagnose schockte zwar, aber wir waren positiv gestimmt. Gestärkt durch die vorherigen Erfahrungen. Die OP verlief gut. Aber als ich die Schwester fragte, ob es eine große OP war, nickte sie nur stumm und da war mir klar, dass auch der pathologische Schnellschnitt die Diagnose bestätigte. Da war er dann. Der Schlag in die Magengrube. Ok. Schultern gerade, Blick ganz tapfer und rein zu Mama. Sie war noch gar nicht richtig wach als ich bei ihr stand und sie einfach nur anschaute und mir 1000 Gedanken machte, was da wohl dieses Mal auf uns zukommt. Als der Arzt reinkam, gingen die Augen auf und sie sagte munter „Herr Doktor, dass ist meine Tochter“. Wie sehr freue ich mich jetzt über diesen stolz gesagten Satz, dem ich im Frühjahr noch nicht soviel Bedeutung schenkte. Der Doktor erklärte mir, was alles gemacht wurde. „Ok“ – mehr bekam ich nicht über die Lippen.
Draußen wartete die große Hürde. Die Familie informieren. Wie macht man das nur? Den Papa und die Brüder jetzt anrufen? Es gibt schönere Dinge zu besprechen als sowas und erst recht am Gründonnerstag. Das Osterfest war damit für uns gelaufen.
Die Post-OP Tage vergingen gut und Mama stabilisierte sich. Nach drei Tagen hörte man sie schon von weiten mit den Schwestern schnattern. So kennt man sie. Nach 8 Tagen durfte sie wieder heim. Der April lief halbwegs ruhig, kurze Zwischenaufenthalte im KH, aber nichts beunruhigendes. Das ewige Warten auf den endgültigen Befund machte uns viel mehr zu schaffen. Es wurde noch ein Facharzt in einem anderen Krankenhaus befragt. Weiter warten.
Das mürbemachende Warten und Rätseln wurde nun mit Schmerzen gespickt und das Krankenhaus war meine tägliche Zieladresse nach der Arbeit. Da lag sie nun wieder. Etwas schlapp und müde, mit wenig Appetit, dafür mit vollem Tatendrang und Lebenswillen. Eine Kämpfernatur.
Der Befund kam und war leider nicht positiv. Man suchte immer noch den Ursprung. Also Verlegung in eine andere Abteilung. Ihre Kräfte wurde etwas schwächer. Wenn ich am Muttertag gewusst hätte, dass es mein Letzter mit ihr ist, ach was hätte ich alles gesagt, gemacht, getan….Fortan ging es ihr von Tag zu Tag schlechter. Sie schlief sehr viel. Die Schmerzmittel ließen sie zum Glück auch schlafen.
Dann kam der Dienstag nach Pfingsten, der mein Leben, unser Leben schlagartig änderte.
Kurz nach 8 Uhr morgens, das Handy klingelt und ich sehe, wer anruft. Das Krankenhaus hat mich noch nie angerufen. Noch nie!!! Mein Magen dreht sich. Ich gehe vorsichtig ran. Der Dr. bittet mich ins Krankenhaus zu kommen, es geht ihr nicht gut. Ich stehe zitternd in der Küche. Man hat solch Situationen schon so oft in Spielfilmen gesehen und nun, ist man selbst in dieser Situation. Ich rufe meine Brüder an. Funktioniere irgendwie und ratterte die Sätze runter, die der Doktor mir soeben mitteilte. Rein zufällig sind wir, alle drei Kinder, an dem Tag in der Stadt. Sehr ungewöhnlich, da einer von uns 500 km entfernt wohnt. Seit Pfingstsonntag wusste sie, dass ihr Großer kommt…Ach Mama, mittlerweile glaube ich, sie hat auf den Moment gewartet, loslassen zu können. Alle drei Kinder beisammen. Alle drei können sich Halt geben und den Papa unterstützen.
Als wir im Krankenhaus ankommen, ist mein Cousin mit Frau auch schon da. Der Doktor nimmt uns mit in sein Zimmer. Ich fühle mich wie in Trance und höre von ihm nur noch: „Ich muss Ihnen leider mitteilen…“ Dann macht mein Kopf zu. Ein lautes „Nein“ kommt über meine Lippen und ich renne raus. Es tut weh. 1000 Gedanken schießen durch meinen Kopf. Und der Schlimmste ist „wir müssen zu Papa und es ihm mitteilen. Er selbst liegt zu diesem Zeitpunkt in einem anderen Krankenhaus“. Es bricht uns das Herz.
Der schlimmste Gang, den wir als Kinder jemals gehen mussten, war wohl der in Papas Krankenzimmer. Wir müssen kein Wort sagen. Allein dass wir alle drei an einem Dienstagvormittag zu ihm ins Krankenhaus kommen, sagt alles. Er weiß sofort Bescheid.
Von nun an haben wir ein anderes Leben. Ein Leben ohne Mama, Ehefrau, Oma, Schwester, Schwiegermama, Freundin, Nachbarin…Quasselstrippe, besten Schneewittchenkuchenmacherin, Shoppingbegleitung… Alles ist anders. Manches ist neu.
Heute, mittlerweile sind drei Monate vergangen, hat man den Gedanken „Mama ist tot“ zwar realisiert, aber keineswegs angenommen. Es wirkt immer noch unrealistisch. Ich habe schon von ihr geträumt, sehe sie oft vor mir und letztens wollte ich sie für einen Bruchteil der Sekunde sogar anrufen, so wie ich es sonst bei gewissen Sachen gemacht habe. Es fällt mir schwer, die Situation anzunehmen. Sie fehlt mir.
Mama, du bist die Beste.
Danke sehr
Lass den Kopf nicht hängen.
Ich weiß, das ist eine der typischen Floskeln, die man eigentlich gar nicht hören will.
Aber ich kann deine Lage genau nachempfinden. Meine Mama verstarb, als ich keine zwei Jahre als war. Und dann adoptierte mich meine Oma. Die verstarb leider knappe sieben Jahre später ebenfalls. Und ich bin ohne meinen Vater aufgewachsen, das ist eine sehr komplizierte Situation.
Allein das Gefühl, dass man ohne Mutter dasteht, ist wie ein Schlag in die Magengrube. Aber der Schmerz wird weniger. Die Narbe bleibt. Aber man muss nach vorne sehen. Deine Mutter hätte es so gewollt, dass du ein glückliches Leben führst.
<3
Michelle
Lieben Dank für deinen Beitrag. Weiß Gott ist dein Schicksal gefühlt schlimmer. Das tut mir leid.
Ich werde nach vorne sehen – gar keine Frage – so hätte sie es gewollt.
Bin schon sehr ergriffen von dem Bericht. Ich denke das will eigentlich nie jemand erleben.
Hut ab dass du den Mut findest es zu teilen
Es war eine Art Ballast abwerfen, indem ich darüber schrieb. Lieben Dank für deinen Kommentar.
Wow, dein Text hat mich sehr ergriffen. Ich glaube, es ist das Schlimmste, wenn man einen Elternteil verliert …
Sehr schön und emotional geschrieben. Ich bin sehr berührt und finde es toll, dass du deine Geschichte mit uns teilst.
Verliere niemals deinen Mut ☀️
Herzlichen Dank. Es ist befreiend über das zu schreiben, was einen bedrückt.
Liebe Monique,
bei Deinem Text hab ich richtig geschluckt. Die Erinnerung an die letzten Tage von meinem Vater kamen wieder hoch. Meine Mutter ist schon 80 und ich bin froh über jeden Tag, den ich mit ihr habe. Sie ist meine Familie.
Solche Erlebnisse, die leider irgendwie zu unserem Leben gehören, können einen sehr verändern.
Ich bewundere es, dass Du darüber so schreiben kannst und wünsche Dir und Deiner Familie weiterhin ganz viel Kraft!
Viele liebe Grüße und fühl Dich gedrückt,
Tabea
von tabsstyle.com
Ganz lieben Dank Tabea. Ich habe lange mit dem Text gekämpft. Angefangen, ruhen lassen und wieder weiter geschrieben. Dann endlich das Finale und online gestellt und danach hatte ich das Gefühl, ich habe 10 kg Ballast abgeworfen. Es hat mir auf eine Art geholfen. Das ist schön.
Oh man jetzt hab ich nen dicken Kloß im Hals. Ich fühle richtig mit dir und konnte mich durch deinen Text total in dich hineinversetzen. Es tut mir so leid für dich und deine Familie. Du hast es sehr gefühlvoll beschrieben. Ich drücke euch beide Daumen, dass es euch bald besser geht und das der Papa gesund wird.
Liebe Grüße
Melanie von https://www.lovingcarli.com
Eine schreckliche Nachricht. Ich erinnere mich noch an meine Oma, an den Tag, als sie starb. Irgendwie habe ich gespürt, dass es etwas Schlimmes passiert ist. Ich wünsche dir ganz viel Kraft <3
Liebste Grüße,
Sarah von http://www.vintage-diary.com